Wir leben in Zeiten multipler Krisen. Binnen kürzester Zeit sehen sich Unternehmen mit Situationen konfrontiert, an die noch vor wenigen Jahren niemand dachte. Deshalb betreiben mittlerweile viele Unternehmen professionelles Krisenmanagement. Krisenmanager:innen beschäftigen sich mit Szenarien, die wir früher nur aus Spielfilmen kannten.

Einer von ihnen ist Christian Zeindlhofer. Sicherheit zieht sich durch sein gesamtes Berufsleben. Nach einer Zeit als Berufssoldat war er im Sicherheitsbereich der Bauwirtschaft tätig, danach als Krisenmanager in der Energiewirtschaft. Aktuell ist er der Leiter des Risiko- und Resilienzmanagements in einem Großunternehmen der Telekommunikationswirtschaft. Bald wird er auch am WIFI sein Expertenwissen weitergeben. Im Interview haben wir ihn gefragt: Warum Krisenmanagement – und wie sieht es konkret aus?

Interview: “Krisenmanagement beginnt bereits vor der Krise”

WIFI-Blog: Herr Zeindlhofer, für Sie ist das vielleicht eine banale Frage. Aber warum betreibt man eigentlich Krisenmanagement?  

Christian Zeindlhofer: Ziel des Krisenmanagements ist es, dass Betriebe Krisensituationen schneller und besser bewältigen und dadurch den Schaden für das Unternehmen so gering wie möglich halten können, was unter Umständen sogar die Existenz des Unternehmens retten kann.

Ganzheitliches Krisenmanagement beginnt allerdings bereits vor der Krise und endet nicht mit der Krise. Man spricht von drei Phasen. In der Krisenvorbereitung werden beispielsweise Krisenpläne erstellt, die Kriseninfrastruktur bereit gestellt und die Krisenstabsmitglieder geschult und trainiert. In der Krisenbewältigung geht es darum, die vorbereiteten und zur Verfügung stehenden Ressourcen effektiv zur Krisenbewältigung einzusetzen, die spezielle Aufbau- und Ablauforganisation zu nutzen und auch die Krisenkommunikation umzusetzen.

In der Krisennachbereitung geht es darum, Lessons Learned im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses im Unternehmen zu verankern und weiterhin Übungen für den Ernstfall durchzuführen, denn nach der Krise ist vor der Krise.

WIFI-Blog: Wann spricht man in einem Unternehmen von einer Krise?

Christian Zeindlhofer:  Hier muss man unterscheiden.

Krisen im engeren Sinne sind plötzliche Ereignisse, welche zwar selten auftreten aber enormes Schadenspotential für das Unternehmen haben können. Darauf sollte sich ein Unternehmen durch betriebliches Krisenmanagement vorbereiten.

Krisen im weiteren Sinne sind krisenhafte Entwicklungen, die sich teilweise über Monate und Jahre bereits abzeichnen wie beispielsweise disruptive technologische Entwicklungen. Zum Umgang mit solchen Situationen ist allerdings die strategische Management-Ebene gefragt und weniger der Krisenstab.

WIFI-Blog: Welche Unternehmensbereiche kommen mit dem Krisenmanagement in Berührung?

Christian Zeindlhofer:  Eine Krise kann jeden Unternehmensbereich in jedem Unternehmen in jeder Branche betreffen. Je nach Krise können die Auswirkungen so breit gestreut sein, dass sogar das gesamte Unternehmen betroffen ist. Deshalb ist es wichtig, dass alle Unternehmensbereiche während einer Krise eng zusammenarbeiten, um ganzheitliche und koordinierte Krisenbewältigungsmaßnahmen zu gewährleisten. Verantwortlich dafür ist, wenn vorhanden, der Krisenmanager.

Krisenmanagement lernen

“Krisenmanagement sollte man aus Leidenschaft betreiben”

WIFI-Blog: Ab welcher Größe ist Krisenmanagement ein Thema für Unternehmen?

Christian Zeindlhofer: Jedes Unternehmen kann von einer Krise betroffen sein und daher sollte sich jedes Unternehmen mit Krisenmanagement beschäftigen. Während sich Großunternehmen häufig sehr professionell und mit viel Ressourceneinsatz dieses Themas annehmen, so ist bei KMUs oft festzustellen, dass auf Grund von finanziellen oder personellen Ressourcen dieses Thema keine oder deutlich zu wenig Beachtung findet.

Wichtig ist, dass man das Krisenmanagement an die Gegebenheiten eines Betriebs anpasst. Zu Berücksichtigen ist dabei zum Beispiel die Unternehmensgröße bzw. die Anzahl der Mitarbeiter:innen, die Anzahl der Standorte, die Branche usw. Für jede Unternehmensgröße kann und soll man Krisenmanagement angemessen betreiben.

WIFI-Blog: Haben Sie aktuelle Beispiele für gelungenes Krisenmanagement parat?

Christian Zeindlhofer: Gutes Krisenmanagement gelangt nicht immer in die Öffentlichkeit. Viele Unternehmen wollen nämlich gerade nicht, dass man davon in der Zeitung liest.

Manches Mal ist aber auch genau das Gegenteil der Fall, dass Unternehmen proaktiv an die Öffentlichkeit gehen mit ihren Krisen um die Informationshoheit zu behalten und Gerüchten vorzubeugen. Ich bezeichne die Krisenkommunikation gerne als die Königsdisziplin in der Unternehmenskommunikationsarbeit weil es darum geht in herausfordernden Situationen den Reputationsschaden möglichst klein zu halten und das Vertrauen in das Unternehmen zu erhalten. Krisenkommunikation als Teildisziplin des Krisenmanagements bedarf jedoch ebenfalls Vorbereitung, Schulung und Training.

Wenn man in den Medien danach sucht, findet man zahlreiche Beispiele derartiger Fälle. Zum Beispiel nach erfolgreichen Cyberangriffen gegen Unternehmen und Institutionen, nach Produktrückrufen in der Lebensmittelbranche oder der Fahrzeugindustrie, nach Flugzeugabstürzen oder Zugunglücken und vielem mehr.

Alles, was man plant, muss man nicht improvisieren. Schließlich kann man nie alles Planen. Zum Teil muss man immer improvisieren. Deshalb bereitet man sich im Krisenmanagement auf konkrete Szenarien vor wie zum Beispiel Cyberangriffe, Blackout oder ähnliches. Jedoch gilt: Eine Krise tritt nie so ein, wie man sie sich vorgestellt hat und deshalb verlangt das Krisenmanagement immer ein gewisses Abstraktionslevel.

WIFI-Blog: Was würden Sie angehenden Krisenmanager:innen raten?

Vor allem eines: Krisenmanagement sollte man freiwillig und mit Leidenschaft betreiben. Denn in einer Krisensituation stehen die Krisenmanager:innen im Rampenlicht, jede ihrer Entscheidungen kann massive Auswirkungen haben. Es herrscht ein gehöriger Druck. Wer das Thema „Krisenmanagement“ ohne eigenes Interesse nur von seinem Chef aufgetragen bekommen hat, wird sich schwer tun die Herausforderungen als Krisenmanager:in zu bewältigen.

Krisenmanagement lernen

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