“Deutsche Sprache, schwere Sprache” ist eine bekannte Redensart. Darin liegt auch mehr als ein Körnchen Wahrheit. Trainer:innen für Deutsch als Fremdsprache oder Zweitsprache (DaF/DaZ) können dies bestätigen. Doch was unterscheidet Deutschkurse eigentlich von anderen Sprachkursen? Das haben wir Judith Berger Neustädter gefragt. 

Judith Berger-Neustädter hat an der Universität Innsbruck Germanistik und Psychologie studiert. Nach Stationen in Journalismus und PR begann sie als Autodidaktin, DaF/DaZ zu unterrichten. Seit ca. 20 Jahren unterrichtet sie auf allen Niveaus. Außerdem ist sie Leiterin des Ausbildungslehrganges und sitzt Prüfungen für den ÖSD und ÖIF vor. Sie lebt in Dornbirn. Im Interview haben wir sie gefragt, wie man als Trainer:in in diesem wichtigen Bereich arbeitet – und auch schwierige Situationen bewältigt.

Interview: “Trainer:innen müssen die Gruppendynamik im Auge behalten”

WIFI-Blog: Wie unterscheiden sich DaF/DaZ-Kurse von anderen Fremdsprachenkursen?

Judith Berger-Neustädter: Die Gruppen sind, im Vergleich zu anderen Sprachkursen, sehr heterogen. Sie unterscheiden sich nicht nur bezüglich des Alters. Die meisten haben keine gemeinsame Muttersprache, sie haben unterschiedliche Nationalitäten und kulturelle Hintergründe. Wenn Sie einen Spanischkurs unterrichten, können Sie davon ausgehen, dass Ihre Teilnehmer:innen eine ähnliche Muttersprache und zumeist ein ähnliches Bildungsniveau haben. Das ist bei Deutsch als Fremdsprache bzw. Deutsch als Zweitsprache ganz anders.

Zwischen den beiden Bezeichnungen – DaF und DaZ – gibt es einen Unterschied. Von einer Fremdsprache spreche ich, wenn ich bspw. Deutsch in Großbritannien lerne. Eine Zweitsprache lerne ich jedoch in einem deutschsprachigen Land, in dem ich leben und arbeiten möchte. Das spiegelt sich in den Themen und Inhalten. Die Kurse sind ganz anders aufgebaut. Während es bei einer Fremdsprache gleich einmal um Inhalte wie das Verhalten am Campingplatz oder das Schreiben einer Postkarte geht, lerne ich bei einer Zweitsprache, was ich beim Einkaufen oder beim Arzt sagen muss. Deutsch als Zweitsprache ist viel handlungsorientierter in Bezug auf das Leben und die Integration in einem Land.

Als Trainer:in muss ich dabei die Gruppendynamik im Auge behalten. Menschen kommen mit unterschiedlichen Bildungsniveaus und Bildungsgewohnheiten. Nicht alle kommen freiwillig. Viele brauchen die Sprachkenntnisse für AMS, Aufenthaltstitel usw. Deshalb kann in einem DaZ-Kurs eine Hochschulprofessorin aus Frankreich neben einem Volksschulabgänger aus Afghanistan sitzen. Trainer:innen müssen gewährleisten, dass alle so gut wie möglich weiterkommen. Dafür gibt es Methoden, wie das binnendifferenzierte Arbeiten.

WIFI-Blog: Was bedeutet binnendifferenziertes Arbeiten?

Judith Berger-Neustädter: Ich muss dafür den Unterricht so vorbereiten, dass verschiedene Personen davon profitieren können. Früher war es häufig so, dass vier Volksschulklassen von einer Lehrperson unterrichtet wurden. Das binnendifferenzierte Arbeiten ist ähnlich. Ich muss gewährleisten, dass die Person mitkommt, die gerade einmal alphabetisiert ist, und dass gleichzeitig der Hochschulprofessorin nicht langweilig wird. Dafür muss ich verschieden schwierige Aufgaben vorbereiten. Außerdem muss ich auf die Zusammensetzung bei Gruppenarbeiten achten: stärkere und schwächere Teilnehmer:innen zusammenarbeiten lassen, aber nicht nur die Guten mit den Schwachen, damit kein Lehrer-Schüler-Verhältnis entsteht usw.. Das verlangt Fingerspitzengefühl.

WIFI-Blog: Was ist die ideale Gruppengröße für einen DaF/DaZ-Kurs?

Judith Berger-Neustädter: Idealerweise unterrichten wir Gruppen mit 10 bis 12 Personen. Aber die Vorstellung entspricht nicht immer dem Budget. Generell ist es so, dass für die Sprachniveaus A1 bis B1 – die Unterstufe – bei uns am WIFI Vorarlberg eine maximale Teilnehmer:innenzahl von 16 Personen festgelegt ist, für B2 bis C2 – die Oberstufe – eine maximale Teilnehmer:innenzahl von 14 Personen.

DaF/DaZ-Trainer:in werden

“Du musst diese Tätigkeit lieben”

WIFI-Blog: Ein Volksschulabgänger aus Afghanistan steht zu Beginn eines Deutschkurses vor einem Riesenberg an Arbeit. Wie kann man da motivieren?

Judith Berger-Neustädter: Das ist eine schwierige Situation. Generell muss die Motivation vom Teilnehmer kommen. Der Trainer kann nur dabei unterstützen. Eine große Motivation ist häufig, dass sich die Teilnehmer:innen durch den Spracherwerb ein großes Stück Leben eröffnen. Sie können in einem Verein mitmachen oder mit anderen Menschen interagieren und gewinnen so an Handlungsfähigkeit.

Denn Sprache ermöglicht Leben. Diese Tatsache verleiht vielen Teilnehmer:innen den Ehrgeiz weiterzumachen. Bis zum Sprachniveau B1 können es nämlich alle schaffen. Denn in den ersten Kursen geht es um Themen wie Familie, Hobbys, Alltägliches. Wir arbeiten da mit einem eingeschränkten Wortschatz. Erst ab Niveau B2 wird es schwieriger. Teilnehmer:innen müssen dann Aufsätze schreiben und argumentieren können. Das beherrschen viele auch in ihrer Muttersprache nicht. Die Stufe B2 ist jedoch Voraussetzung, um bspw. die Pflegeschule besuchen zu können. Daran scheitern gewisse Teilnehmer:innen, die auch unter anderen Umständen z.B. nicht die Matura schaffen würden. Das ist natürlich total okay, aber schade, weil gerade in der Pflege diese Menschen so dringend gebraucht würden.

WIFI-Blog: MS, Aufenthaltstitel, Asylbescheid: Zeigt sich der Druck, unter dem die Teilnehmer:innen stehen, auch in den Kursen?

Judith Berger-Neustädter: Ja, absolut. Vor allem vor Prüfungen sind viele Teilnehmer:innen besonders gestresst. Sie fragen häufig, ob dieser oder jener Inhalt für die Prüfung wichtig ist. Spezielle Vorbereitungskurse, in denen eine Woche lang alles Prüfungsrelevante wiederholt wird, sind knackevoll. Man erlebt als Trainer:in Erwachsene, die schon Einiges in ihrem Leben hinter sich gebracht haben, wie sie plötzlich wieder in einer Schulsituation stecken.

WIFI-Blog: Von den Teilnehmer:innen zu den Trainer:innen: Welche Personen interessieren sich für die Tätigkeit als DaF/DaZ-Trainer:in? Was sollten sie mitbringen?

Judith Berger-Neustädter: Die Ausbildungslehrgänge sind buntgemischt. Es sind alle Altersgruppen vertreten. Es handelt sich häufig um Personen, die umschulen oder sich sozial engagieren möchten. Mitbringen müssen sie natürlich das nötige Fachwissen. Das Deutsch, das wir in Schule und Studium lernen, ist nicht notwendigerweise das Deutsch, das wir im Kurs unterrichten. Wissen Sie zum Beispiel, was eine Wechselpräposition ist? Warum sagt man manchmal „auf dem Tisch“, aber dann wieder „auf den Tisch“? Als DaF/DaZ-Trainer:in stehe ich dann vor der Herausforderung, wie ich das erkläre.

Außerdem müssen zukünftige Trainer:innen vor allem eines mitbringen: ein großes Herz. Ich brauche eine gewisse Liebe zu den Menschen und eine Sensibilität für fremde Kulturen. In diesem Beruf wird man mit vielen Schicksalen konfrontiert. Außerdem gibt es, wie in jedem sozialen Beruf, Menschen, mit denen man nicht so gut kann. Auch kulturelle Unterschiede, wie die Stellung der Frau, spielen hier hinein. Vor allem junge Kolleginnen, aber auch alle anderen, müssen hier Durchsetzungsvermögen und Führungsqualität beweisen.

Das größte Problem ist jedoch die Bezahlung. Ich sage allen angehenden Trainer:innen: Du musst diese Tätigkeit lieben, denn reich wirst du damit nicht. Gerade in der Integrationsdebatte zeigt sich, wie wichtig unser Beruf ist und welche Probleme entstehen können, wenn der Spracherwerb vernachlässigt wird.  Das ist eine Frage der Prioritäten, die unsere Gesellschaft mit ihren Institutionen setzt.

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