Corona ist eine Herausforderung für uns alle. Wir haben mit dem Trend- und Zukunftsforscher Tristan Horx gesprochen, wohin aus seiner Sicht die Reise geht.

WIFI-Blog: Ein außergewöhnlicher Frühling liegt mittlerweile hinter uns. Zu welchen Veränderungen wird die Corona-Krise führen?

Tristan Horx: Viele Trends, die wir schon verzeichnet haben, werden durch diese Krise beschleunigt. Diese Zeit hat uns aufgezeigt, was alles möglich ist – wie schnell die Effekte zu spüren sind, wenn man mal auf den Pausenknopf drückt. Auf viele Dinge, von denen wir dachten, wir können nicht ohne sie leben, konnten wir eine Zeit lang doch verzichten.

Wenn man etwa in der Klimafrage dadurch leichter Kompromisse findet, dann ist für die Zukunft schon viel getan. Und es ist ein neuer Generationenvertrag entstanden: Die Jungen haben durch ihre Verhaltenseinschränkungen die Älteren und Schwachen geschützt. Wenn wir uns an die junge Generation davor erinnern, dann hat diese noch den Anspruch gestellt, die Älteren mögen ihre Zukunft retten. Das ist aber nicht passiert. Das wird die junge Generation nach der Krise einfordern – sozusagen als logische Konsequenz auf die eigene Verhaltensänderung.

Was werden wir aus dieser Zeit mitnehmen?

Die Krise hat uns die Schwächen des Systems aufgezeigt. Es wäre ein Fehler, die Chance jetzt nicht wahrzunehmen, wirtschaftlich umzudenken – vor allem hinsichtlich der globalen Abhängigkeiten in den Wertschöpfungsketten.

Insofern ist die Krise nicht eine, die wir wollten, sondern eine, die wir gebraucht haben. Sie hat uns zu einer kollektiven Entschleunigung gebracht. Davor war es problematisch, zu entschleunigen. Zog man sich einmal aus der hyperbeschleunigten Wirtschaftswelt oder der Gesellschaft zurück, hatte man immer im Hinterkopf das Gefühl, dass einen die anderen überholen.

Das Interessante an dieser Krise ist zudem, dass sie – im Gegensatz zu anderen Krisen davor, wie etwa die Bankenkrise – nicht abstrakt ist. Sie hat uns alle auf einem persönlichen, alltäglichen Level getroffen. Und sie hat uns gezeigt, wie gut unsere Zivilgesellschaft funktioniert.

Welche Auswirkungen hat das auf die Arbeit?

Vor der Corona-Krise hatte Home Office immer den Nachgeschmack von glorifizierter Freizeit. Durch diese besondere Zeit wird die Arbeit zu Hause, die für bestimmte Aufgaben durchaus sinnvoll ist, nun kulturell mehr verankert werden. Dazu gehört auch das Lernen, wie man etwa digitale Meetings hält.

Da muss man zum Beispiel auch mal still sein, wenn der andere redet. Damit man in einer flexibleren Konstellation arbeiten kann, werden Hierarchien weiter abflachen, und Vertrauen wird weiter wachsen – das sind gute Nachrichten. Insofern hat die Corona-Krise etwas beschleunigt, was wir sowieso gesehen hätten.

Mit welchem Gefühl gehen Sie in dieses neue Jahrzehnt?

Ich würde es als rebellischen Optimismus bezeichnen. Ich freue mich, dass wir jetzt in ein Jahrzehnt gehen, in dem auch meine Generation etwas zum Rebellieren gefunden hat. Ähnlich wie in den 1970er-Jahren haben wir auch jetzt eine Öko-Bewegung. Nur diesmal mit etwas mehr Nachdruck. Denn im Gegensatz zu den 70ern, in denen auch Themen wie die freie Liebe die jungen Menschen zur Rebellion angetrieben haben, geht es heute „nur“ um die Umwelt.

Ich freue mich auf diesen gesellschaftlichen Umschwung, der von meiner Generation und auch von der Generation danach getrieben ist. Obwohl ich persönlich nicht mehr wirklich an solche Generationsblöcke glaube. Wir haben jetzt schon die Generation Z. Was kommt danach? Wir sollten nicht mehr in Generationen denken. Das Alter ist heute mehr denn je eine Frage des Geistes denn eine Frage des Körpers.

Gibt es Unterschiede zwischen den Generationen beim Umgang mit der Krise?

Wenn die Politik einerseits jünger und andererseits weiblicher wird, ist sie auch repräsentativer für die Gesellschaft. Ursula von der Leyen war Deutschlands erster weiblicher Verteidigungsminister, heute ist sie die erste Frau als Präsidentin der Europäischen Kommission. Auch das österreichische Verteidigungsministerium wird nun erstmals von einer Frau geleitet. Vor 30, 40 Jahren wäre das undenkbar gewesen.

Die sozialen Normen haben sich verschoben, und das halte ich für extrem wichtig. Auch in der „Fridays for Future“-Bewegung schwingt ganz stark mit, dass das alte System nicht mehr tragfähig ist. Es ist ein gutes Resultat einer Rebellion, wenn sich dann dort etwas verändert. Es sollte aber nicht alles verjüngt werden. Denn es gibt gewisse Denkmuster, die auf Erfahrung basieren. Daher ist das Zusammenspiel zwischen junger und alter Generation wichtig. Die Zukunft gehört schließlich uns allen.

Ist es ein Zeichen der Zeit, dass sich heute jüngere Menschen mit der Zukunft auseinandersetzen?

Früher hat man viel Lebenszeit gebraucht, sich genug Wissen anzueignen, um die Gegenwart und die Zukunft zu verstehen. Heute ist Wissen demokratisiert, die jüngeren Generationen sind gebildeter denn je. Und daher haben sie auch das Privileg, sich früher mit der Zukunft auseinanderzusetzen. Je mehr wir uns mit der Zukunft beschäftigen, umso besser navigieren wir auch in diese.

Über Tristan Horx
1994 als Sohn von Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx und der Trendforscherin Oona Strathern geboren, wurde ihm der Blick in die Zukunft schon in die Wiege gelegt. Heute könnte man Tristan Horx als eine neue Generation von Futuristen bezeichnen, wenn er nicht persönlich das Ende der klassischen Generationsmodelle forderte. Der Sprecher und Autor am Zukunftsinstitut befasst sich mit den Themen des gesellschaftlichen Wandels und erforscht, was der Generation X, Y und Z folgen wird. Seit 2018 ist er Dozent an der SRH Hochschule Heidelberg. In seinem Podcast „Treffpunkt:Zukunft“ sorgt er regelmäßig für einen kritischen, aber auch optimistischen Blick auf die Zukunft.