In einer Zeit, in der kein Stein mehr auf dem anderen bleibt, stoßen Führungskräfte mit bewährten Managementmethoden schnell an ihre Grenzen. Das heißt: Auch Führung muss sich ändern.
Alles ist plötzlich „VUCA“
Wir leben in einer Zeit des Umbruchs. Auch für Unternehmen bringt das tiefgreifende Veränderungen: immer kürzere Innovationszyklen, veränderte Produktionsprozesse und Arbeitswelten, neue Märkte und Chancen. Kein Wunder, dass auch die Welt der Führungskräfte buchstäblich kopfsteht. Nichts ist mehr beständig und vorhersehbar, sondern VUCA – also unbeständig („volatile“), unsicher („uncertain“), komplex („complex“) und mehrdeutig („ambigue“). Dazu kommt noch, dass die Informationsflut und neue Technologien Führungskräfte wie Mitarbeiter/innen zunehmend überfordern. Misstrauen und Skepsis seitens mancher Mitarbeiter/innen – nicht zuletzt aus Angst, der eigene Arbeitsplatz könnte der Digitalisierung zum Opfer fallen – erschweren Führung zusätzlich.
Was Führungskräfte von morgen können müssen
Im „Leadership Report 2019“ hat Franz Kühmayer für das Zukunftsinstitut eine Prognose gewagt, welche Fähigkeiten bei Führungskräften in Zukunft gefragt sein werden. Dazu benennt Kühmayer, der im Mai 2019 als Keynote Speaker beim Kongress für Training und Weiterbildung am WIFI Wien zu Gast war, drei Leadership-Trends für den Managementstil von morgen und ihren Einfluss auf den Arbeitsalltag:
Trend #1: Mehr Zusammenhalt erzeugen
In einer zunehmend fragmentierten Gesellschaft wird es für Führungskräfte zur wichtigsten Aufgabe, für mehr Zusammenhalt zu sorgen. Diese gemeinschaftsorientierte Führung beruht auf dem PEP-Prinzip: „purpose, education, participation“ – Sinn, Bildung, Teilhabe. „Partizipation bedeutet, sich einsetzen zu können, zu dürfen – und zu müssen“, so Kühmayer.
Trend #2: Das Comeback des eigenen Weges
Unternehmergeist und Selbstorganisation entstehen nicht per Weisung. Sie entwickeln sich aus der Arbeit an einer gemeinsamen Vision eines von allen geteilten Wertebildes. Die Führungsaufgabe lautet demnach, einen Rahmen zu schaffen, in dem ein eigenes Modell aus der Zusammenarbeit von selbstständig denkenden und handelnden Menschen entsteht. „Das hat wenig mit Struktur zu tun, aber viel mit Kultur“, unterstreicht der Experte.
Trend #3: Bewegte Beweger – die Zukunft der Human Resources
Franz Kühmayer: „Unternehmen und Personalabteilungen hängen noch allzu oft in alten Denkweisen fest. Die Rolle von Human Resources verändert sich. In Zukunft braucht es bewegte Beweger.“ Künftig gilt es nicht nur, Personalverantwortung zu übernehmen, sondern Agilität nach innen und außen vorzuleben sowie eine Schlüsselrolle in der Symbiose von Mensch und Technologie einzunehmen.
Digital Leadership
Wenn es darum geht, Mitarbeiter/innen und Unternehmen durch die digitale Transformation zu führen, ist ein neuer Führungsstil, besser gesagt eine neue Führungskultur in aller Munde: Digital Leadership. Der digitale Leader unterstützt den Wandel weniger mit Methoden als durch seine Haltung und Empathie. Digitale Leader schaffen es, Mitarbeiter/innen bei den Veränderungen mitzunehmen und ihre Ideen zu beherzigen. Vertrauen spielt dabei eine wichtige Rolle – und zwar auf allen Ebenen. So können Entscheidungen dort getroffen werden, wo sich die Informationen und das Know-how dafür befinden. Digital Leadership bedeutet in diesem Sinne mehr coachen als führen sowie offen und transparent zu kommunizieren. Führungskräfte müssen im digitalen Zeitalter Unterstützer/innen statt Befehlsgeber/innen sein, um einen wichtigen Erfolgsfaktor im digitalen Wandel zu ermöglichen: agile Teams, in denen Mitarbeiter/innen eigenverantwortlich handeln. Nur so lassen sich Entscheidungen beschleunigen und Innovationen vorantreiben. Hand in Hand geht damit eine offene Fehlerkultur, in der Fehler nicht als Scheitern, sondern als Inspiration zur Entwicklung von Besserem gesehen werden.

Elmar Lichtenegger
Manager/innen mit akademischem Know-how
Dass Misserfolge wesentlich für den Erfolg sind, das kann auch Elmar Lichtenegger bestätigen. Der ehemalige Profiläufer ist heute Manager beim IT-Dienstleister addIT für das Infrastructure & Data Management verantwortlich. Für den Profisport hat Lichtenegger in jungen Jahren sein Informatikstudium an den Nagel gehängt. Nach dem Ende seiner sportlichen Karriere, die ihm zahlreiche Medaillen einbrachte, zog es ihn ins Unternehmertum: erst ein eigenes Lokal, dann eine PR-Agentur. Von seiner Fähigkeit zum unternehmerischen Denken und Handeln profitiert er heute noch als Manager. Neben seiner verantwortungsvollen Tätigkeit hat der ehemalige Unternehmer sein wirtschaftliches Know-how in einer viersemestrigen Ausbildung zum „Business Manager MSc“ am WIFI vertieft.
Interview: „Es gibt keine Entwicklung ohne Misserfolge“
WIFI-Blog: Sie haben dem „Business Manager MSc“ absolviert. Wie profitieren Sie von dieser Ausbildung in Ihrem Beruf?
Elmar Lichtenegger: Die Ausbildung schafft einen sehr praxisbezogenen Überblick über die wesentlichen Anforderungen an Managementaufgaben, und man nimmt sich einen gut ausgestatteten Werkzeugkoffer an Methoden und Tools mit in den (beruflichen) Alltag.
Was sind Ihrer Ansicht nach die größten Herausforderungen von Managerinnen und Managern im digitalen Wandel?
Die Digitalisierung bringt massiv viel Unsicherheit und Geschwindigkeit in die Märkte und ist aus meiner Sicht primär ein Kultur- und Organisationsentwicklungsthema. Hier müssen sich die Unternehmen intensiv mit den Fragen nach den richtigen Skills, Prozessen, Methoden und Businessmodellen auseinandersetzen und sie auf deren Zukunftsfähigkeit in zunehmend unsicheren Märkten prüfen. Neue Technologien ermöglichen schnelle Markteintritte, liefern mehr Lösungen als Probleme und bringen Unternehmer in Entscheidungs- und Investitionsdilemmas.
Wie muss die Fehlerkultur in Unternehmen Ihrer Ansicht nach gestaltet sein?
Wie im Sport: Es gibt keine Entwicklung nach vorne ohne Misserfolge. Gleiches gilt insbesondere für agile Unternehmenskulturen: Eine Organisation, in der Scheitern keine Option ist, ist mittelfristig zum Scheitern verurteilt. Daher sind Fehler ganz klar eine der ganz großen Chancen.
Hat die Ausbildung am WIFI auch die digitalen Aspekte im Management berücksichtigt?
Sie hat mir die wesentliche Basis verschafft, um die ökonomischen Entwicklungen aus einer „Vogelperspektive“ zu betrachten und so die Auswirkungen auf Unternehmen – beispielsweise die der Digitalisierung – besser zu verstehen.
Wem würden Sie empfehlen, den „Business Manager MSc“ zu machen?
Ich würde die Ausbildung Personen empfehlen, die bereits praktische Berufserfahrungen sammeln konnten und den nächsten Schritt in ihrer persönlichen Entwicklung gehen wollen.