Wer kollaborativ lernt, ist kreativer und entwickelt nachhaltigere Lösungen. Das gilt für Mitarbeiter/innen genauso wie für Führungskräfte. „Kollaborative Unternehmen entsprechen der Vision einer lernenden Organisation“, sagt Prof. Dr. Werner Sauter dazu. Der deutsche Bildungswissenschaftler, Dozent und Autor beschäftigt sich seit Längerem mit der neuen Arbeitswelt. Manuela Ottawa-Wagner hat ihn für den WIFI-BLog interviewt.
WIFI-Blog: Welche Konsequenzen hat die Krise für das betriebliche und berufliche Lernen?
Es besteht große Einigkeit darüber, dass die Arbeitswelt und damit das betriebliche und berufliche Lernen nach der aktuellen Krise nicht mehr so sein wird, wie vorher. Unsere Welt wird noch unberechenbarer sein, und die Unsicherheit sowie die Komplexität werden weiter zunehmen. Die digitale Transformation wird sich beschleunigen, Arbeitsformen wie Homeoffice oder eLearning-Formate werden sich immer mehr durchsetzen, und viele Meetings werden ins Netz verlagert.
Welche Kompetenzen sind jetzt gefordert?
Insgesamt werden die Menschen zunehmend eigenverantwortlich und selbstorganisiert agieren. Dies erfordert entsprechende Kompetenzen, also die Fähigkeiten, in heute noch nicht bekannten, häufig unüberschaubaren, komplexen, dynamischen und zuweilen chaotischen Situationen kreativ und selbstorganisiert zu handeln. Dies setzt wiederum ein verändertes Mindset voraus, also Werte, die als Ordner dieses selbstorganisierte Handeln erst möglich machen. Damit bilden Werte die Kerne von Kompetenzen.
Aber lassen sich Werte und Kompetenzen so einfach verändern?
Werte und Kompetenzen können nicht vermittelt werden, auch wenn dies immer wieder behauptet wird. Vielmehr können sie nur selbstorganisiert, in realen Herausforderungen, insbesondere durch eigene Erfahrungen, aufgebaut werden. Gezielte Werte und Kompetenzentwicklung ist deshalb nur möglich, wenn die Werte und Kompetenzen von Mitarbeitenden, Teams und Organisationen auch erfasst, analysiert und in personalisierten Lernprozessen selbstorganisiert entwickelt werden können. Erst dann können die Mitarbeitenden ihre individuellen Entwicklungsziele formulieren und personalisierte Lernprozesse gestalten. Wie sind die zukünftigen Lernprozesse im Corporate Learning zu gestalten?
Es ist eigentlich ganz einfach: „Handeln kann man nur handelnd erlernen.“ Deshalb muss das Lernen mit dem Arbeiten verknüpft werden, indem die Mitarbeitenden ihre eigenen Herausforderungen in der Praxis bearbeiten können. Erfahren sie, dass die Nutzung der digitalen Lernangebote ihnen gezielt hilft, ihre aktuellen Problemstellungen am Arbeitsplatz zu bewältigen, dann wird sich rasch eine breite Akzeptanz aufbauen.
Ist Kollaboration noch wichtiger geworden?
Beim Homeoffice geht es nicht nur darum, dass einzelne Mitarbeiter/innen ihre Aktenstapel zu Hause abarbeiten. Je länger die Corona-Krise andauert, umso bedeutsamer wird das gemeinsame Arbeiten, aber auch Lernen im Netz. Auch der zunehmend globale Wettbewerb und die Entwicklung zur Arbeit 4.0 erfordern kollaborative Unternehmen, in denen Arbeiten und Lernen wieder zusammenwachsen.
In diesen Organisationen lösen die Mitarbeitenden und Führungskräfte gemeinsam im Arbeitsprozess und im Netz ihre Herausforderungen in der Praxis und tauschen kontinuierlich ihr Erfahrungswissen in Communities of Practice aus.
Werner Sauter ist u. a. Mitgründer und Gesellschafter der Corporate Learning Community gUG, Geschäftsführender Gesellschafter der Blended Solutions GmbH Berlin und entwickelt gemeinsam mit Prof. Dr. John Erpenbeck und Roman Sauter das softwarebasierte Werteerfassungs-System KODE®W mit der Kompetenzentwicklung von zertifizierten Wertemanagerinnen und -managern.