Was haben Napoleon, Humphrey Bogart und Michael Douglas in seiner Rolle im Film Wall Street gemeinsam? Sie alle trugen Hosenträger. Einer der sich mit diesem geschichtsträchtigen Männer-Accessoire, das heute auch durchaus von Frauen getragen wird, auskennt: Thomas Wurzer.
Seit 2008 ist Thomas Wurzer Chef der Manufaktur Karlinger in Wien-Alsergrund, die unter anderem Hosenträger in traditioneller Handarbeit fertigt. Dabei war es gar nicht der Plan des damaligen Wirtschaftsstudenten, die Werkstatt vom Vater zu übernehmen. Doch es kam anders – und bereut hat er es bis heute ganz und gar nicht.
Eine Arbeit, die Halt gibt
„Ich mache meine Arbeit leidenschaftlich gerne und könnte mir keinen besseren Beruf vorstellen. Es ist ein schönes Gefühl, am Ende des Tages sehen und angreifen zu können, was man geschaffen hat“, sagt Thomas Wurzer, der in seiner kleinen Werkstatt mit zwei Näherinnen Hosenträger und Gürtel von höchster Qualität herstellt. Das Unternehmen ist eine der letzten Hosenträgerschneidereien in Wien. Entsprechend nachgefragt sind die Produkte der Firma Karlinger. Wurzer: „Wir produzieren unsere Hosenträger beispielsweise für die Staatsoper, das Theater in der Josefstadt oder die Volksoper, aber auch für die Salzburger Festspiele.“
Und auch die roten Hosenträger der Wiener Taxitänzer kommen aus dem Hause Karlinger. Gearbeitet wird noch ganz traditionell – etwa mit Stanzen und einer 80 Jahre alten Spindelpresse zur Herstellung der Lederschlaufen für die Hosenträger, die jetzt wieder sehr in Mode sind, wie der 39-Jährige bestätigt. Natürlich gibt es auch die Variante mit Clips (der Clipverschluss für Hosenträger wurde übrigens 1894 erfunden), die von den Näherinnen auf die Hosenträger genäht werden.
Werkstattluft von Kindheit an
Die Geschichte, wie die Firma Karlinger in den Besitz der Familie kam, ist fast schon kitschig schön. In den 1950er-Jahren war Wurzers Großmutter Schneiderin, ihr Mann Polizeiinspektor im 7. Bezirk. Er kam häufig bei einer Schuhfabrik vorbei, und ihm fiel auf, wie viel Leder dort weggeschmissen wurde. Er erzählte seiner Frau davon. Daraufhin stanzte die Großmutter die guten Teile aus den Lederresten und verkaufte sie an die Hosenträgerfirma Karlinger.
Nach einigen Jahren boten die damaligen Besitzer der tüchtigen Frau an, die Werkstatt zu übernehmen. In den 1960er-Jahren übernahm Thomas Wurzers Vater die Manufaktur. „Er hilft auch heute noch manchmal mit“, sagt Wurzer, der schon als Kind in der Werkstatt seiner Eltern ein und aus gegangen ist. „Für mich war es wie mein zweites Zuhause. Und in der Schulzeit habe ich hier meine Ferialpraxis gemacht.“ Trotzdem begann Thomas Wurzer nach der Matura ein Wirtschaftsstudium.
„Ich wollte damals unabhängig sein und eine eigene Wohnung. Mein Vater, der ohnehin in der Firma jemanden brauchte, der ihm zur Hand ging, hat mir angeboten, dass ich bei ihm mitarbeite.“ Wurzer stand seinem Vater damals kaufmännisch zur Seite, verdiente sich auf diese Weise Geld während des Studiums und bekam viel von den Tätigkeiten und Abläufen im Unternehmen mit.
Was will ich einmal werden?
Studium und Selbstständigkeit
„Die unternehmerischen Fähigkeiten habe ich mir vor allem in der Praxis durch die Arbeit im Familienbetrieb angeeignet“, so Thomas Wurzer und er ergänzt: „Letztlich war es der Mix aus meiner schulischen Ausbildung in der Handelsakademie, dem Wirtschaftsstudium und der Liebe zum Handwerk, die mich zu dem gemacht haben, was ich heute bin.“
2008, als sein Vater in Pension ging, übernahm Wurzer das Unternehmen. „Wir haben lange überlegt, ob ich den Betrieb übernehmen soll. Ich habe dann beschlossen, mir das Geschäft ein, zwei Jahre anzuschauen.“ Damals studierte er noch und aus den ein, zwei Jahren wurden mittlerweile zwölf Jahre, in denen Thomas Wurzer auch einige Veränderungen vorgenommen hat.
Sein Wirtschaftsstudium hat er auch abgeschlossen. „Eine wissenschaftliche Grundausbildung ist eine sehr wertvolle Basis für die erfolgreiche Führung eines Unternehmens“, sagt Wurzer. „Ich habe die Strukturen an meine Bedürfnisse angepasst und den Betrieb ein bisschen in Richtung moderner und jünger umgestaltet, ein neues Corporate Design entwickelt und begonnen, die neuen Medien für den Auftritt nach außen zu nutzen.“
Am Handwerk im Unternehmen hat sich freilich nichts geändert. „Wir stellen unsere Produkte weiterhin mit den guten alten Maschinen auf die gleiche traditionelle Weise her und haben immer noch unsere langjährigen Stammkunden. Aber es sind auch einige Neukunden dazugekommen.“
Handwerk ist wieder gefragt
Auch in der Manufaktur Karlinger, deren kleines Team jährlich rund 30.000 Accessoires produziert, ist die Renaissance von handgefertigten Produkten deutlich zu spüren. Wurzer: „Wir merken das ganz stark. Wir sind immer bei unseren Wurzeln geblieben, verarbeiten beispielsweise großteils Leder aus Österreich und arbeiten mit regionalen Lieferanten zusammen.
Diese Qualität, die Langlebigkeit und Nachhaltigkeit wissen immer mehr Menschen wieder zu schätzen.“ Was seiner Meinung nach auch den Unterschied zu Produkten aus Massenproduktion ausmacht: „Wir verkaufen Geschichte und Emotionen.“ Und genau das macht das Handwerk zu einem der schönsten Berufe der Welt.