Künstliche Intelligenz ist in aller Munde. Allein der Dienst ChatGPT hat die breite Bevölkerung mit KI-Tools bekannt gemacht. Viel wird deshalb von den Chancen für Unternehmen geredet – und erwartet. Doch wie können Unternehmen KI-Tools für sich nutzbar machen?

Das haben wir Gerhard G. Stockinger gefragt. Der IT-Dienstleister ist ein Universalist: Seine Stärke liegt in einem großes Allgemeinwissen in der IT.  Seit mehr als 25 Jahren unterstützt er in vielen Unternehmen die Neugestaltung von Prozessen mit neuen Technologien. Seine Kunden profitieren von seiner umfangreichen Fachexpertise in den Bereichen Geschäftsprozesse, digitale Markterschließung und soziale Medien sowie Infrastruktur und Sicherheit. Sein brandaktuelles Wissen über KI-Tools hat er auch in einer Reihe von vielbeachteten WKO-Webinaren geteilt.

Hier geht es zu Teil 2 des Interviews

Interview: „Mit ChatGPT kann ich sprechen wie mit einem Kollegen“

WIFI-Blog: Gibt es Fähigkeiten, die man im Umgang mit KI schult? Was braucht man um „gut zu prompten“ (Anm.: „to prompt“ bedeutet „veranlassen, abfragen“)?

Gerhard G. Stockinger: Das Prompten ist gar nicht so wichtig.  Meistens kann ich mit ChatGPT so sprechen wie mit einem Kollegen, dem ich ein Arbeitspaket übergebe. Das KI-Tool ist dann wie ein Assistent, der sich ein bisschen auskennt, aber nicht zu 100%. Dem muss ich die Aufgabe dann so erklären, dass er sie versteht. Zum Beispiel: „Fasse diese Texte zusammen und schreibe eine Präsentation“.

Dann wird ChatGPT die Arbeit genauso gut oder vielleicht sogar besser machen als ein Assistent. Dazu muss ich nicht auf spezielle Weise prompten. Ich muss nur sinnvoll erklären und das richtige Briefing machen. Denn wenn das Tool zu wenig Datenmaterial hat, beginnt es zu halluzinieren.

Es gibt ein paar kleine Tricks. Man kann GPT sagen: „Verhalte dich wie ein Verkäufer oder wie ein Marketing Profi“ bzw.: „Verhalte dich dieser oder jener Rolle entsprechend“. Dann führt GPT die Tätigkeit so aus, wie man es von dieser Rolle erwarten würde. Dann schreibt ChatGPT die E-Mails plötzlich knackiger und knapper, wie es dem Marketing mehr entspricht.

Kann man sagen welche Abteilungen bzw. Rollen sich in Unternehmen mit der Thematik auseinandersetzen?

Gerhard G. Stockinger: Anfangs sind es häufig die Kids, die das Thema aus der Schule mitbringen. Sie wollen nur ihre Hausaufgaben schreiben lassen, aber dann will sich auch die Mutter einen Bericht schreiben lassen – und die Eltern bringen die Technik dann in Unternehmen. Bei Meetings sagen oft Assistentinnen, dass sie ChatGPT privat nutzen. Aber die große Frage ist: Wie nutze ich KI in Unternehmen?

Der Antrieb kommt ganz selten aus der IT-Abteilung. Möglicherweise, weil manche glauben, dass ihnen ihre Kompetenz davonläuft. Denn einer KI kann man natürlich auch IT-Fragen stellen. Oft präsentiere ich in Unternehmen und kläre über Chancen und Gefahren auf. Oft ist der einzige, der aufzeigt, der ITler, der sein Wissen über KI als Geheimwissen betrachtet. Er möchte nicht, dass seine Kollegen und Kolleginnen es auch benutzen.

Letztes Jahr habe ich mit Neuroflash angefangen. Das ist ein KI-Schreibtool, das Arbeit sehr erleichtert. Auch ich habe anfangs nicht verstanden, wie ich es richtig einsetzen kann. Als Digitalisierungsberater habe ich mein gesamtes Berufsleben immer über Lösungen nachgedacht. Doch mit den KI-Tools musste ich umdenken. Ich musste lernen, Probleme richtig zu schildern und zu beschreiben.

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„Man muss beginnen zu denken wie ein Kunde“

Gerhard G. Stockinger. Dann bekomme ich von ChatGPT Lösungsvorschläge. Man muss beginnen zu denken wie ein Kunde. Wenn man das erklärt, macht es bei vielen so richtig Klick. Manche beginnen dann schon im Meeting nebenbei damit zu arbeiten. Dann begreifen Leute die erste Stufe: Das ganz normale Texten.

Dann ist  es nicht mehr weit bis zu dem Moment, wo ChatGPT Arbeitspakete für mich übernimmt. Auf dem Weg dorthin benutzt man dann alle möglichen Tools. Allerdings darf man diese Tools nicht zu früh erwähnen. Sonst haben alle die Panik, dass sie in der Firma ersetzt werden.

Wie ist das Verhältnis zwischen Ängsten und Euphorie, was KI-Tools angeht?

Gerhard G. Stockinger: Einen Prozentsatz könnte ich jetzt gar nicht nennen. Es ist total gemischt. Oft schwanken die Personen innerhalb von Minuten hin und her von absoluter Verzweiflung bis zu Aufbruchsstimmung. Es ist ein Rausch der Gefühle.

Die, die es wirklich verstanden haben, sehen eigentlich eher nur mehr die Chancen. Es wird natürlich immer Jobs geben, die man jetzt nicht mehr lernen sollte. Werbetexter wird man wahrscheinlich nicht mehr brauchen, weil Produktmanager:innen jetzt mit ChatGPT super texten können, wenn sie wissen, wie ihr Produkt und ihr Markt funktioniert.

Wie darf man sich den Alltag eines KI-Beraters vorstellen? Kommt ein KMU auf Sie zu und fragt, welche KI Tools es nutzbar machen kann?

Gerhard G. Stockinger: Da gibt es sehr verschiedene Kunden. Ca. 50 Prozent haben resigniert und sind erschlagen von dem riesengroßen Ballon an Möglichkeiten. Die versuchen es vielleicht noch einmal mit dem Hineinschnuppern. Die anderen sind jene, die KI eventuell schon privat genutzt haben. Es sind häufig die Mitarbeiter:innen, welche die Technik schon privat nutzen. Die Entscheidungsträger müssen häufig noch aufgeklärt werden.

KI-Techniken wie GPT werden im Gegensatz zu anderen IT-Lösungen häufig von Mitarbeiter:innen getrieben. Die wollen das einfach benutzen.

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Foto: Stockinger, Laurent / stock.adobe.com