Was braucht man um Buchhalter/in zu werden? Wir haben eine Expertin gefragt. Carola Berthold, MSc, ist Trainerin am WIFI Wien im Bereich Buchhaltung/Bilanzierung und als Unternehmensberaterin mit ihrem Unternehmen cb evolvere Unternehmensberatung auf das Rechnungswesen spezialisiert. Sie unterstützt Unternehmen bei der Optimierung ihrer Finanzbuchhaltung – für ein modern eingerichtetes Rechnungswesen auf organisatorischer, personeller und fachlicher Ebene.
„Die Liebe zu den Zahlen ist essenziell“
WIFI-Blog: Frau Berthold, wie sind Sie in den Bereich der Buchhaltung gekommen?
Carola Berthold: Eigentlich war die Buchhaltung nie das, was ich anstrebte. Es war sogar meine letzte Option nach dem Schulabschluss, aber dann bin ich doch unerwartet hineingestolpert und habe letztendlich darin meine Leidenschaft und Berufung gefunden. Begonnen habe ich im Kreditorenbereich, mit ganz grundlegenden Dingen, wie z.B. Eingangsrechnungen bearbeiten. Danach bin ich jeden Entwicklungsschritt einer Buchhalter/innenkarriere selbst gegangen, bis zur Leitung Rechnungswesen eines internationalen Konzerns. Heute gebe ich mein theoretisches und praktisches Buchhaltungswissen als Unternehmensberaterin an Unternehmen und die nächste Buchhalter/innen-Generation weiter. Dabei hoffe ich, in ihnen das gleiche Feuer zu entfachen.
Welche Eigenschaften sollten Fachkräfte im Rechnungswesen mitbringen?
Carola Berthold: Es gibt viele Klischees über Buchhalter/innen: Sie wären introvertiert, veränderungsresistent und eher ruhig. Das mag auch bis zu einem gewissen Punkt stimmen. Damit einher gehen aber auch Eigenschaften, die wir in unserem Beruf brauchen: die Liebe zum Detail, Genauigkeit und Verlässlichkeit. Essenziell sind sicherlich die Liebe zu den Zahlen und die Fähigkeit, sie zu interpretieren. Im Grunde erzählen wir mit jeder GuV und jeder Bilanz eine Geschichte über das Unternehmen.
Des Weiteren ist ein gewisses Organisationstalent wichtig. Viele Unternehmen bestehen aus mehreren Gesellschaften. Da ist es als Buchhalter/in wichtig die Firmen A, B und C auseinanderzuhalten. Kennen Sie das bekannte Bild der Buchhalter/innen-Schreibtischlade, worin alle Stifte und Utensilien nach Farbe, Größe und Richtung geordnet sind? Naja, das entspricht schon der Wahrheit. Ein Chaos-Schreibtisch ist bestimmt kein guter Buchhalter/innen-Schreibtisch!
Welche Entwicklungsmöglichkeiten sehen Sie für Buchhalter/innen?
Carola Berthold: Die Karriereleiter im Bereich Rechnungswesen definiert zwei Eckpunkte. An einem Ende die Sachbearbeitung Buchhaltung, am anderen Ende die Position des Finanzvorstands. Dazwischen gibt es sehr viele Entwicklungsmöglichkeiten.
Die ersten Schritte führen zur/zum Alleinbuchhalter/in. Dies bedeutet: die komplette Buchhaltung eines Unternehmens bis zur Rohbilanz selbst ausführen zu können, nicht nur einen Teil davon. In der Folge kann man die Ausbildung zur/zum Bilanzbuchhalter/in angehen. Für beide Entwicklungsschritte benötigt es entsprechende Weiterbildungen.
Vor allem in größeren Unternehmen gibt es natürlich die Möglichkeit, Führungspositionen zu übernehmen, bspw. von der Leitung eines Teilbereiches der Finanzbuchhaltung über die Leitung der gesamten Finanzbuchhaltung bis hin zur Leitung des gesamten Rechnungswesens inklusive mehrerer Abteilungen.
Buchhaltung lernen
„Verstehen, was man tut und warum man es tut“
Was sind Ihre Erfolgserlebnisse?
Carola Berthold: Anfangs war die Buchhaltung für mich eigentlich nur ein Job. Doch das Unternehmen, in dem ich beschäftigt war, hat mir die Möglichkeit gegeben zu wachsen und mich weiterzuentwickeln. Nach drei Jahren im Arbeitsleben habe ich meine Bilanzbuchhalter-Ausbildung am WIFI begonnen. Diese Zeit war für mich sehr bereichernd und mit vielen Aha-Erlebnissen gefüllt. Die Theorie hat nun für mich verständlich gemacht, was ich in der Praxis die ganze Zeit gemacht habe. Ich denke letztendlich ist dadurch meine Liebe zur Buchhaltung entstanden: durch das Verstehen, was man tut und warum man es tut.
Welche Herausforderungen bringt der Beruf mit sich?
Carola Berthold: Für mich war der Schritt von der Fachkraft zur Führungskraft eine große Herausforderung. Im Buchhaltungsbereich wird meistens die beste Fachkraft zur Führungskraft gemacht. Deshalb ist für Buchhaltungsmitarbeiter/innen die Rolle in der Führungswelt oft eine schwierige. Die Führungsposition erfordert Offenheit und Präsenz gegenüber Mitarbeiter/innen sowie Kommunikationsfreudigkeit. Da müssen sicherlich so manche über ihren Schatten springen.
Herausfordernd sind auch immer große Projekte. Projekte, die über einen längeren Zeitraum gehen und nicht sofort abgeschlossen werden können. Auch hier benötigt es seitens der Buchhaltung viel Organisation und Kommunikation mit anderen Beteiligten. Ich durfte in meinem Angestelltenleben zwei Börsengänge mitmachen und viele internationale Projekte abwickeln. Dies war immer eine fachliche Herausforderung aber auch immer eine enorme Bereicherung für meine Entwicklung.
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