Österreichs Berufsbildung kann sich sehen lassen. Lehrlinge können jedoch nur so viel, wie ihre Ausbilder ihnen zeigen.
Clemens List ist Serviceleiter im berühmten Café Central in Wien – und bildet dort Lehrlinge aus. Wer sich jetzt einen typischen, etwas streng wirkenden Herrn Ober mit grauem Haar vorstellt, der irrt. Clemens ist nämlich erst 28 Jahre alt. Rund drei Jahre ist es her, dass der gelernte Restaurantfachmann, der seine Lehre im Wiener Hotel Sacher absolviert hat, den Ausbilderkurs am WIFI Neunkirchen gemacht hat. „In unserem Betrieb hat die Lehrlingsausbildung einen hohen Stellenwert, wir sind ein Top-Lehrbetrieb“, sagt List.
„Die Firma hat mich bei meinem Vorhaben, den Ausbilderkurs zu absolvieren, sehr unterstützt.“ Den Kurs hat er noch gut in Erinnerung: „Besonders interessant war das Netzwerken untereinander, weil die Kursteilnehmer aus den unterschiedlichsten Branchen kamen und ihre Erfahrungen schilderten. Es gab keinen Frontalunterricht, sondern ein Interagieren miteinander.“
Fordern, fördern und mutig sein
Seit dem Ausbildertraining und der positiv absolvierten Ausbilderprüfung hat er schon viele Lehrlinge bestmöglich unterstützt und ausgebildet. „Wir haben immer neun Lehrlinge.“ Darunter derzeit auch zwei anerkannte Flüchtlinge. List: „Einen Beruf zu erlernen ist sehr wichtig für die Integration. Das funktioniert sehr gut bei uns.“
Seine Aufgabe als Lehrlingsausbilder nimmt der Niederösterreicher, der fast täglich nach Wien pendelt, sehr ernst: „Junge Menschen muss man motivieren und klare Ziele vor Augen führen.“ Als junger Chef hat er einen guten Draht zu ihnen, seine Devise: Fordern und fördern. „Ich kann auch anderen jungen Leuten empfehlen, mutig zu sein, den Kurs zu machen und Lehrlingsausbilder zu werden“, so List
„Ich kann auch anderen jungen Leuten empfehlen, mutig zu sein, den Kurs zu machen und Lehrlingsausbilder zu werden“, sagt Clemens LIst.
80 Prozent der Lehrzeit findet im Betrieb statt
Rund 200 Berufe kann man in Österreich erlernen. Entweder nach der erfüllten neunjährigen Schulpflicht als Lehrausbildung oder als „Lehre mit Matura“. Oder auch als Lehre nach der Matura, denn auch für junge Studienabbrecher/innen oder Maturantinnen und Maturanten ist die Lehre eine weitere Option. So oder so: Die Lehrausbildung ist als duales System organisiert und findet somit an zwei Lernorten statt: im Betrieb und in der Berufsschule.
Den größten Teil der Lehrzeit umfasst die betriebliche Ausbildung. Rund 80 Prozent seiner Ausbildungszeit verbringt der Lehrling im Lehrbetrieb und erhält dort eine praxisorientierte Ausbildung. Allein das erklärt schon, warum die Ausbilder/innen im Betrieb so wichtig sind. Sie sind Vorbild, Vertrauensperson, Motivator/in und Wegweiser für ihre Lehrlinge.
Ausbilderprüfung anpacken
Jeder Lehrling ist einzigartig
Sich das Rüstzeug für den richtigen Umgang mit Lehrlingen zu holen, das war der Grund für Rita Grubers Teilnahme am Ausbildertraining am WIFI Innsbruck Campus. Heute bildet die 31-Jährige, die im Ausbildungszentrum West für Gesundheitsberufe der Tirol Kliniken GmbH (AZW) in der Verwaltung tätig ist, selbst Lehrlinge im Beruf „Bürokaufmann/-frau“ aus. „Man muss auf jeden Lehrling individuell eingehen und ihn fördern“, sagt Gruber.
Geholfen haben ihr dabei die pädagogischen Tipps und Tricks im Ausbildertraining. Es war spannend, ein paar Instrumente und Methoden in die Hand zu bekommen, wie man konstruktive Rückmeldungen an die Lehrlinge gibt. Darüber hinaus ist sich Gruber ihrer Vorbildfunktion natürlich bewusst. Die Tirolerin hat aber nicht nur das pädagogische und methodische Know-how für die Ausbilderpraxis mitbekommen, sondern auch rechtliches Wissen: „Das war wirklich hilfreich, weil man genau jene Informationen bekommt, die arbeitsrechtlich auch für mich als Ausbilderin relevant sind.“
Stütze für die LAP: Praxisvielfalt statt Einfalt
Das große Ziel jedes Lehrlings ist freilich die Lehrabschlussprüfung (LAP). Auch bei der Vorbereitung zur LAP können Ausbilder/innen eine große Stütze sein, damit der Lehrling Theorie und Praxis im Rahmen von möglichst vielfältigen Arbeitsabläufen verbinden kann. Gerade in der Verwaltung eines großen Betriebes ist das nicht so einfach, weil jede Abteilung nur für bestimmte Aufgaben verantwortlich ist.
„Darum ist es wichtig, sich etwas einfallen zu lassen, damit der Lehrling möglichst viele Arbeitsabläufe praktisch umsetzen kann. Zum Beispiel, dass der Lehrling in unterschiedlichen Abteilungen arbeitet“, sagt Gruber: „Im Arbeitsalltag hat man wenig Zeit, sich über so etwas Gedanken zu machen. Dafür war die Woche im Ausbildertraining wirklich toll.“ Und das Sprichwort „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus“ bewahrheitet sich einmal mehr, wie Rita Gruber bestätigt: „Wir haben immer sehr erfolgreich mit Lehrlingen gearbeitet. Fast alle waren ausgezeichnet.“