Künstliche Intelligenz ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Wir alle kennen Gesichtserkennung, Algorithmen für personalisierte Vorschläge, etwa beim Online-Shopping oder unterstützender medizinischer Diagnosestellung. Die Einsatzmöglichkeiten sind so vielseitig, dass KI natürlich auch längst in Bewerbungsprozessen genutzt wird. Das erleichtert einerseits vieles, bringt aber auch Nachteile für die Bewerber:innen mit.

Erste Orientierung für Arbeitssuchende

Wo fängt man an, wenn man sich informiert? Statt zu googeln, benutzen viele mittlerweile KI-basierte Textgenerierungsplattformen, weil diese komplexe Fragestellungen schneller verarbeiten und spezifischere Antwort darauf geben können. Aktualität und 100%-iger Wahrheitsgehalt seien dahingestellt. Zum Weiterrecherchieren ist das aber auf jeden Fall nützlich.

Jederzeit bereit

Am Sonntagabend eine dringende Frage zur ausgeschriebenen Position? Kein Problem. Egal wann man an seinen Bewerbungsunterlagen arbeitet, viele Firmen bieten bereits eigene Bewerbungsportale inklusive Chatbots an, mit deren Hilfe man etwaige Fragen zu jeder Tages- und Nachtzeit klären kann.

Anschreiben, Lebenslauf und Lektorat

ChatGPT ist zur Zeit von allen Texterstellungstools noch immer am beliebtesten und nach wie vor in aller Munde. Das Sprachmodell ist darauf trainiert, menschenähnliche Texte zu verfassen. Die Betonung liegt dabei auf ähnlich, denn ein Text von einem Menschen hat immer noch „das gewisse Etwas.“ Bewerbungsschreiben wollen natürlich möglichst kreativ und individuell formuliert sein und zu einer jeweiligen Person passen.

Chat GPT hilft einerseits sehr gut bei Rechtschreibung, Formatierung und Struktur, und beim Vereinfachen von ganzen Sätzen. Das wäre etwa bei der Erstellung oder der Kontrolle des Lebenslaufs ideal. Andererseits muss man auch wissen, wie man mit dem Modell am besten umgeht, wie man präzise Fragen stellen kann, damit man ein zufriedenstellendes Ergebnis erhält. Die Aufforderung an das Tool nennt man Prompt.

Weniger bekannten KI-basierte Textgenerierungsplattformen sind Rytr oder Jasper, die beide spezifischer arbeiten beziehungsweise für bestimmte Zwecke ausgerichtet sind. Rytr kann auch E-Mail-Kampagnen, Marketingtexte, Artikel und mehr.

Jasper betont die kreativere Richtung.

Fehlerfrei geht’s mit Lektorats-Werkzeugen weiter, wie etwa Grammarly oder ProWritingAid. Beide KI basierten Anwendungen überprüfen die Bewerbung auf Formales wie Grammatik, Rechtschreibung und Zeichensetzung. Darüber hinaus gibt es Funktionen und Feedback zum Inhaltlichen, mit denen der Schreibstil verbessert werden kann. Überprüft wird auf Lesbarkeit, klare und prägnante Formulierungen.

Mit Hilfe dieser Tools kann man seine Bewerbung formal wie inhaltlich schnell für eine passende Stelle adaptieren.

Neu orientieren

Dank KI mehr Bewerbungen rausschicken

Schneller ist man auch mit Autofill. Das kennen wir alle, man denke an Webbrowser: Autofill ist eine Funktion, die automatisch Infos wie Name, Adresse oder Passwörter in Formularfelder einfügt. Dieses automatische Ausfüllen spart natürlich Zeit, wenn man auf einer Bewerbungsplattform seine Daten eintragen soll.

Jobempfehlungsplattformen bzw. soziale Netzwerke wie IndeedLinkedIn oder XING verwenden KI-Algorithmen. Diese analysieren die Profile der Nutzer:innen um personalisierte Jobempfehlungen abzugeben.

Matching ist eine weitere Möglichkeit. Mobil orientiert, wie man es von Dating-Plattformen kennt, ist da zum Beispiel Hokify unterwegs.

Das Konzept von Lazy Apply kennen auch viele: Suchende können sich ganz einfach, also quasi faul, bewerben. Das heißt, es geht nur um die absoluten Basics im Anschreiben – die üblichen förmlichen Bewerbungsunterlagen wie ein standardisierter Lebenslauf oder Anschreiben müssen hier nicht dabei sein. Das gibt’s auf verschiedenen Plattformen, Easy Apply heißt die Funktion zum Beispiel bei LinkedIn. Eine Erweiterung für den Chrome-Browser wäre Lazy Apply Job Application.

Beschleunigter Bewerbungsprozess – auch für Unternehmen

Die Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz haben bereits etwas verändert. Sie führen zu einer größeren Flut an Bewerbungen innerhalb kürzester Zeit. Sobald eine Stelle ausgeschrieben ist, trudeln auch schon jede Menge Bewerbungen ein. Das Forbes-Magazin schreibt von einem Beispiel, indem hunderte Bewerbungen bereits nach einer Stunde Online-Schaltung eines Inserats eingingen. Dass das immer mehr wird, liege einerseits zwar nicht nur an der KI, heißt es im Artikel weiter, sondern auch an einem „härteren Arbeitsmarkt“ inklusive der allgegenwärtigen Inflation. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation weiter verändern wird. 

Man muss jedenfalls wissen: KI wird natürlich auch im Recruiting eingesetzt beziehungsweise beim Aussuchen passender Kandidat:innen. Rauszustechen kann in einer Fülle von Bewerbungen mitunter schwierig werden – aber nicht aussichtslos sein.

Neu orientieren

Wie Recruiter mit Hilfe von KI aussortieren

Bewerbungsplattformen nutzen KI bereits, um automatisiert Lebensläufe für die ausgeschriebene Position zu screenen. CV Parsing (Englisch: to parse = analysieren) ist bereits ein gängiges Einsatzgebiet von Künstlicher Intelligenz. Die Technologie analysiert Bewerbungsunterlagen und nimmt relevante Informationen wie Qualifikationen und Berufserfahrungen heraus. Diese Daten werden dann in einem standardisierten Format wie einer Datenbank für die weitere Verarbeitung und Analyse oder Verarbeitung bereitgestellt.

ATS-Systeme (Applicant Tracking System, Bewerbermanagementsysteme) helfen Unternehmen beim Managen von Bewerbungsprozessen, vom Veröffentlichen von Stellenangeboten bis zur Verwaltung potentieller Kandidat:innen. Oft arbeiten CV-Parsing und ATS-Systeme zusammen. Beispiele für solche ATS-Systeme sind Oracle Taleo oder Greenhouse.

Arbeitgeber:innen können mit Hilfe von KI beziehungsweise bestimmter Plattformen auch erforderliche Kompetenzen der Bewerber:innen testen und bewerten. Codility und HackerRank nutzen insbesondere große Firmen beim Check von technischen Fähigkeiten.

Den Fokus auf Menschlichkeit hingegen legen Pymetrics oder Traitify. Bei Traitify bemüht man sich auch um Aspekte wie Niederschwelligkeit und Fairness im Bewerbungsprozess.

Optimierung der Bewerbung

Als Bewerber:in kann man natürlich auch auf Kontrolle setzen. Es gibt eine große Palette an nützlichen Werkzeugen. KI kann mit Datenanalysen nicht nur dabei helfen zu überprüfen, welche Bewerbungen am erfolgreichsten sind, was gerade besonders gut ankommt, sondern auch wie erfolgreich die eigene sein kann oder könnte.

Für Lebensläufe werden immer wieder Plattformen wie Jobscan oder CV Compiler empfohlen. Sie analysieren Lebensläufe und vergleichen sie mit den Anforderungen in Stellenanzeigen, um Empfehlungen zur Optimierung zu geben.

Pymetrics & Co. werden zwar auch von Unternehmen genutzt, konzentrieren sich jedoch stark auf die Persönlichkeit anhand des erstellten Profils. So gibt es für Bewerber:innen spezielle Tests, Potentialanalysen und auch Vorschläge für Karrierewege.

Vorbereitung auf das Vorstellungsgespräch 

Hat man früher noch mit einem Freund oder Familienmitglied geübt, gibt’s hierfür nun auch Unterstützung von Seiten der Technologie. Google Interview Warmup ist zum Beispiel etwas, mit dem man Gesprächsabläufe üben kann, ebenso wie mit Interview Buddy. Hier simuliert man (KI-basiert) Vorstellungssituationen. Es besteht auch die Möglichkeit, sich direkt Feedback von anderen User:innen oder Branchenexpert:innen einzuholen.

Individualität punktet 

Updates und Feinjustierungen schließen so etwas wie Kreativität und Charisma nicht aus. Von Recruiter-Seite kommt an dieser Stelle sogar der Einwand, dass Bewerbungen zwar auf den ersten Blick passend erscheinen, bei näherer Betrachtung dann aber eher oberflächlich gehalten sind. Sie vermissen spezifische Infos gepaart mit persönlichen Einblicken – Charakter eben. Quantität ist ja nicht gleich Qualität. Mehr Bewerbungen rauszuschicken bedeutet nicht gleichzeitig, dass das gut ist. Man kann ja seine Unterlagen mit Hilfe von KI anpassen und verbessern und nach einer Systemoptimierung nochmal individuell drüber pinseln.

Vermeidung von Vorurteilen?

Auch wenn in Bewerbungsverfahren KI dafür eingesetzt wird, nach möglichst objektivierbaren Kriterien attraktive Kandidat:innen auszuwählen, empfiehlt sich natürlich am Ende immer eine menschliche Überprüfung. Bei allen derzeitigen Bemühungen sind KI-Systeme trotzdem nicht zu 100 Prozent objektiv und arbeiten auch irgendwo normiert. Eigentlich klar, denn an den Geräten sitzen Menschen mit Wertvorstellungen, die mit diesen Systemen interagieren.

Unsere Maschinen sind (noch) ein Spiegel der Gesellschaft, inklusive allem, was noch nicht so ganz rund läuft. Stichwort Diskriminierung, Stichwort Vorurteile. Damit KI nicht vollkommen regelfrei und unsicher entwickelt oder benutzt wird, haben alle EU Länder vor Kurzem für ein KI-Gesetzt gestimmt. Die Europäische Kommission bemühte sich seit Jahren um die Durchsetzung des sogenannten AI-Acts.

KI-Akademie

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