Narzissmus – dieser Begriff ist allgegenwärtig. Heutzutage wird jedoch manchmal sehr leichtfertig mit dem Begriff Narzissmus umgegangen. Nicht zuletzt durch das Internet ist Narzissmus regelrecht zu einem Modewort geworden. Sehr viele Beiträge verbreiten allerdings reißerische Halbwahrheiten. Es kommt zu einem immer größeren Anwachsen von Hobbypsychologen/innen.

Autorin: Cornelia Dorfer

Krankhafter Narzissmus, oder die narzisstische Persönlichkeitsstörung, geht mit großen Leiden und Verletzungen einher – und zwar bei Opfern und Täter/innen. Es handelt sich um ein komplexes Thema, das uns als Gesamtgesellschaft vor viele Fragen und Herausforderungen stellt. Nicht jeder Mensch, der sich rücksichtslos verhält, andere mobbt oder komische Psychospielchen aufführt, ist Narzisst/in. Auch Empathielosigkeit oder dominantes und arrogantes Verhalten bedeuten nicht automatisch, dass jemand krank oder persönlichkeitsgestört ist.

In diesem Beitrag wollen wir ein paar Begriffe klären – und ein paar Tipps zur Verfügung stellen, die im Alltag hilfreich sein können.

Eins vorab: Dieser Beitrag ist nicht dafür da, danach als Profi mitreden oder gar als Laie Menschen diagnostizieren zu können! Er kann lediglich ein sehr großes und sensibles Thema anschneiden.

Professionelle Hilfe kann dieser Beitrag nicht ersetzen.

Was ist Narzissmus?

Narzissmus ist ein Spektrum. Alle haben narzisstische Anteile. Das ist sogar überlebenswichtig, um Grenzen zu wahren, sich durchzusetzen und Ziele konsequent zu verfolgen. Das Spektrum reicht von absoluter Selbstlosigkeit bis hin zu pathologischen Formen, wie der narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Dabei gibt es viele verschiedene Spielarten – offenen, verdeckten Narzissmus, etc.

Es gibt so etwas wie „gesunden Egoismus“. Hier stellt sich das Individuum auf sein Umfeld ein, hält eine Balance von eigenen Bedürfnissen und denen der anderen. Dies wäre der Idealzustand. Mittlerweile sprechen aber einige Autoren/innen von einer narzisstischen Gesellschaft insgesamt, die die gesunde Mitte immer mehr verliert.

Ist man daran interessiert, wo man sich selbst am Spektrum befindet, wird in der Literatur gerne das Buch Der Narzissten Test von Dr. Craig Malkin erwähnt. Dies ist zwar ein Selbsttest, in der Einbindung von fachlicher Expertise bzw. Methoden können aber bestimmte Tendenzen abgeleitet werden.

Professionelle Hilfe?

Eine richtige Diagnose stellen können nur Fachleute. Aber auch professionell tätige Menschen wie Therapeuten/innen oder Psychiater/innen sind nicht automatisch Experten/innen! Sucht man Hilfe, schaut man sich den jeweiligen Erfahrungshintergrund am besten sehr genau an.

Bei der richtigen Anlaufstelle helfen diese Stichwörter: Mobbing, psychische oder emotionale Gewalt, emotionaler (narzisstischer) Missbrauch, (transgenerationale) Traumata, (traumabedingte) Hochsensibilität, Persönlichkeitsstörungen

Eine der führenden Fachleute im deutschsprachigen Raum ist die Lebensberaterin Manja Kendler aus Leipzig. Ihr Blog umfasst über 300 Artikel mit vielen weiteren Links und Literaturempfehlungen zu so ziemlich jeder Angelegenheit für Menschen „in und nach narzisstischer Gesellschaft“. Zum Einstieg gibt es extra einen Link für Betroffene.

Woran erkennt man Narzissmus?

Manja Kendler beschreibt in einem ihrer Beiträge bestimmte Taktiken. Sie führt an, dass mindestens fünf davon „ständig angewandt werden, um vom Verdacht auf pathologischen Narzissmus zu sprechen“. Ein Ausschnitt:

Anbandeln-Phase: Bewusstes Spiegeln

Ist es zu gut um wahr zu sein, ist es das wahrscheinlich auch. Vor allem narzisstische Menschen ziehen anfänglich ihre Mitmenschen regelrecht in ihren Bann. Es wird vermutet, dass Narzissten kein eigenes Gefühl einer gesunden Ich-Identität haben, und somit ständig im Außen nach Bestätigung suchen. Also sind sie Meister darin, typische Eigenheiten des Gegenübers, wie Gestik und Mimik, zu spiegeln.

Neckerei?

Jemandem eigene Namen geben, bestimmte Rollen zuweisen, oder immer wieder aufzuziehen: Was anfangs scherzhaft rüberkommen soll, ist bitterer Ernst. Es geht darum, andere abzuwerten, um sich selbst aufwerten zu können. Mobbing geht noch einen Schritt weiter, passt aber genau in diese Spalte.

Isolation

Einmal eingewickelt, sichern sich krankhafte Narzissten/innen auch gern das Umfeld ihres Opfers ab. Dazu wird das Gegenüber aus einer bestehen Gruppe wie Freunde oder Familie isoliert, physisch, psychisch oder beides – und zwar mit allen möglichen Mitteln.

Grenzen sprengen

Hier gibt’s eine große Palette: Sozial unangepasstes Verhalten, Ignorieren von Privatsphäre, oder Verursachen von Dramen. Andere Autoren/innen nennen hier auch Intrigen und Gaslighting. Gaslighting ist psychische Gewalt, hier wird ein Mensch verunsichert und manipuliert, bis hin zur Desorientierung: Das Opfer kann nicht mehr sicher sagen, was nun eigentlich die Wahrheit ist, was wie passiert ist.

Konfrontation: Nein, danke!

Möchte man diesen Prozess stoppen und früh genug negative Verhaltensweisen  ansprechen, wird abgeblockt. Vielleicht auch wieder mit Gaslighting: Es war doch nur Spaß! Und wenn es kein Spaß war, hat man es sich eingebildet. Und hat man es sich nicht eingebildet, ist man eben zu sensibel – und so weiter. Das heißt auch:

Verantwortung: Gibt’s nicht!

Der Narzisst wird allenfalls versuchen, sich selbst zum Opfer zu stilisieren. Passiert es mal, dass jemand sich nicht so schnell beirren lässt und fühlt sich ein/e Narzisst/in in die Ecke gedrängt, kommt die Wut. Die richtet sich bevorzugt gegen andere, wenn niemand verfügbar ist, gegen sich selbst. Dies geht so weit, beispielsweise mit selbstzerstörerischen Vorwürfen und Gedankenkreisen, dass in der Folge schwere Depressionen auftreten können.

Persönlichkeit stärken

Verständnis zeigen oder legitimieren?

Opfer-Täter/in-Zuschreibungen sisehr wichtig für die Beschreibung einer Situation mit Narzissten/innen. Schuldzuweisungen und Gerechtigkeitsdenken helfen nicht wirklich weiter. Will man verstehen, was krankhafter Narzissmus ist, muss hier jeder Mensch individuell gesehen werden.

Täter/innen sind oft auch selbst Opfer gewesen, oft traumatisiert und unfähig, sich konstruktiv selbst zu regulieren. Nicht selten geht dies auch mit anderen psychischen Erkrankungen wie eben Depressionen einher. Man kann sagen: Narzisstinnen leiden auch selbst.

Gleichzeitig bedeutet das aber nicht, bei allem Verständnis und jeglicher Empathie, Taten und Verhaltensweisen von Narzissten/innen zu legitimieren.

Narzissmus im Job

Wenn sich die Anzeichen auf Narzissmus häufen, muss man das nicht aushalten. Es gibt einige Strategien, wie man am besten mit der Situation umgehen kann.

Abgrenzung

Kolleginnen und Kollegen sollten soweit als möglich versuchen, sich abzugrenzen. Was macht man jedoch, wenn Grenzen nicht ernst genommen werden, man als Mensch weder wahrgenommen noch erkannt wird?

Aufgeben

Mit guter Kommunikation und klärenden Gesprächen kommt man manchmal nicht weiter. Narzissten/innen wollen (und können) nicht auf Augenhöhe ehrliche und nachhaltige Kompromisse eingehen oder entgegenkommen. Aufgeben sollte man also die Hoffnung, dass sich die Person und somit etwas ändert.

In der eigenen Mitte bleiben

Jeder Mensch hat seine eigenen Methoden zur Selbstregulierung. Im Umgang mit Narzissten/innen hilft ein ständiges Fokussieren auf sich selbst, zum Beispiel à la : Ich, ich, ich – mir, mir, mir – meins, meins, meins.  Zugegeben, das klingt nun etwas narzisstisch, pusht einen aber wieder zurück zu sich.

Nur Beobachten

… und versuchen, nicht emotional zu werden oder in Resonanz gehen. Auch so zu tun als ob, bewirkt schon etwas. Das bedeutet aber nicht, dass man alles mit sich machen lässt: Man distanziert sich bewusst von Attacken, sieht es als Versuch, in ein Spiel miteinbezogen zu werden und schaut vorerst nur mal zu.

Strukturen im Arbeitsverhältnis checken

Gehört narzisstisches Verhalten ohnehin zur Unternehmenskultur, ist ein Gegeneinander okay, werden Dinge wie Mobbing nicht ernst genommen, dann wird man vermutlich nicht viel ändern können. Die Frage ist, wie gut (und teilweise wie lange) man dies abfedern kann und will.

Gehen

Das ist selbstredend: Es kommt ohnehin ein Punkt, an dem man sich aus dysfunktionalen oder gar toxischen Umgebungen entfernen muss.

Persönlichkeit stärken

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