Die deutsche Sprache ist ein wichtiger Faktor in Österreich – vor allem im Berufsleben. Deshalb sind Kurse zu Deutsch als Fremdsprache bzw. Deutsch als Zweitsprache sehr gefragt. Die Teilnehmer:innen haben verschiedene Hintergründe. Sie versuchen gemeinsam, sich in der schweren deutschen Sprache zurechtzufinden. Das geht nur mit engagierten Trainer:innen.
So wie Inci Özcan. Die Vorarlbergerin wollte schon immer Sprachen unterrichten. Doch erst nach vielen Jahren im öffentlichen Bereich packte sie die Ausbildung zur DaF/DaZ-Trainerin an. Schon bald konnte sie ihren ersten Kurs abhalten – und sich so einen beruflichen Traum erfüllen. Worauf es beim Unterrichten ankommt, verrät sie uns im Interview.
Interview: „Mit dem Älterwerden wollte ich das machen, was ich will“
„WIFI-Blog: Frau Özcan, wie sind Sie eigentlich WIFI-Trainerin geworden?
Inci Özcan: Ich habe eine neue Herausforderung gesucht. Mein Job im Sozialamt wurde mir ein bisschen zu langweilig. Dort hatte ich zwar auch schon viel mit verschiedenen Menschen zu tun und das hat mir Spaß gemacht. Eigentlich wollte ich aber schon nach der Matura Deutschlehrerin werden und auch Deutsch und Englisch auf Lehramt studieren, aber ich habe einen anderen Weg eingeschlagen. Aber mit dem Älterwerden wollte ich zunehmend das machen, was ich will. So habe ich mich für den DaF/DaZ-Lehrgang entschieden. Ich konnte sogar schon während dem Lehrgang meinen eigenen Kurs abhalten. Das hat mich sehr zufrieden gemacht, deshalb bin ich geblieben.
WIFI-Blog: Was ist der größte Unterschied zu Ihrer früheren Tätigkeit? Inwiefern macht Ihnen Ihre Tätigkeit beim WIFI mehr Spaß?
Inci Özcan: Ich kann selbstständig arbeiten. Außerdem kann ich selbst entscheiden, welchen Kurs ich mache, ob ich den ganzen Tag arbeiten will oder in Teilzeit. Deshalb fühle ich mich nicht gestresst und ziemlich frei. Auch die Teilnehmer:innen sind motiviert und positiver eingestellt. Bei den meisten ist das Interesse da, Deutsch zu lernen. Ich kann mich selbst entscheiden, wie ich auf die Leute eingehe.
Trainer:in werden
„Jede Person ist ihre eigene Welt“
WIFI-Blog: Welche Personen kommen in Ihre Deutsch-Kurse?
Inci Özcan: Ich unterrichte zurzeit A1, A2 und B1. Ich könnte auch Kurse auf einem höheren Niveau unterrichten. Die Basiskurse sind im Moment sehr gefragt und immer ausgebucht, wir haben sogar Wartelisten. Es kommen Menschen aus der ganzen Welt: Jemen, Peru, Brasilien, Indien, Australien, Schweden, Russland und Ukraine. Aber natürlich auch Türkei, Syrien und Afghanistan. Das ist für mich sehr interessant und genau jene Abwechslung, die ich früher überhaupt nicht hatte.
Dabei ist für mich jede Person ihre eigene Welt. Jede:r bringt einen Rucksack mit eigenen Gedanken, Problemen und Hoffnungen. Es ist nicht immer leicht darauf einzugehen – z.B. wenn Personen aus Russland und der Ukraine im Kurs sind, oder z.B. jüdische Menschen und muslimische Menschen in einem Kurs. Diese Gruppen zusammenzubringen und zu Kolleg:innen zu machen, ist eine Herausforderung. Aber ich mache es gerne, weil es mir gefällt, Menschen zusammenzubringen – egal, woher jemand kommt oder welche Denkweise jemand hat.
Das gemeinsame Anliegen ist dann Deutsch zu lernen. Alles andere blenden wir aus. Bis jetzt hat das super geklappt. Das macht mich so zufrieden! Das ist eine meiner größten Freuden, dass ich Menschen zusammenbringen kann – wenn es auch nur in einem Kurs ist. Ich habe schon mehrmals erlebt, dass sich Menschen mit verschiedenen Hintergründen zum Lernen zusammentun und sich treffen. Das ist wunderschön.
WIFI-Blog: Sprechen Sie im Kurs von Beginn an Deutsch?
Inci Özcan: Im A1-Kurs spreche ich, sofern es geht, nur Deutsch. Natürlich muss ich mit Englisch nachhelfen. Allerdings können nicht alle Englisch. Deshalb arbeite ich auch mit Händen und Füßen, Mimik, spiele Situationen vor. Das macht vielen Spaß und es gibt viel zu lachen! In äußerst schwierigen Situationen verweise ich auch einfach auf das Wörterbuch. Aber oft kommen auch folgende ähnliche Situationen vor: Wenn z.B. eine bulgarische Person im Kurs das Wort nicht versteht, übersetzen manchmal russische Teilnehmer:innen, das Wort für diese Person in ihre eigene Sprache. Das stärkt die Kommunikation und die Kollegialität untereinander.
Trainer:in werden
„Ich bekomme viel Unterstützung“
WIFI-Blog: Wie werden Sie vom WIFI Vorarlberg beim Unterrichten unterstützt?
Inci Özcan: Ich bekomme viel Unterstützung. Ich darf ausdrucken und kopieren – das ist für mich sehr wichtig! Außerdem kann ich die Kursbücher aussuchen und diese werden dann für meinen Kurs zur Verfügung gestellt. Wenn ich in der Didaktik Probleme habe und etwas nicht vermitteln kann – z.B. den Dativ, dann kann ich immer erfahrenere Kolleg:innen fragen. Die sind immer aufgeschlossen.
Ich habe noch nie erlebt, dass mir jemand nicht geholfen hätte. Auch ist der Austausch intensiv – z.B. in den Pausen, aber auch darüber hinaus. Das ist dann eine große Hilfe, wenn jemand sagt: Ich habe dieses oder jenes Problem auf diese Art gelöst. Außerdem kann ich auf die WIFI-Sprachenbibliothek zurückgreifen, durch die ich mich wieder auf den neuesten Stand bringen kann. Aktuell sitze ich gerade an der Aktualisierung meiner Detailplanung für den A2-Kurs. Dabei ist das sehr hilfreich. Vorbereitung ist ein Muss!
WIFI-Blog: Welchen Ratschlag würden Sie WIFI-Trainer:innen vor ihrem ersten WIFI-Kurs geben?
Inci Özcan: Die Voraussetzung ist: Du musst mit Menschen zu tun haben wollen. In WIFI-Kursen prallen Kulturen, Länder und Religionen aufeinander. Darauf sollte man vorbereitet sein. Begegne diesen Personen natürlich! Gebe dich so authentisch wie möglich und bleibe aufgeschlossen und akzeptierend. Wenn ich mich vorstelle, sage ich: Ich bin Inci Özcan und komme aus der Türkei. Das ist für viele Teilnehmer:innen schon ein Ansporn. Sie denken: Ah, die ist auch nicht von hier.
Neuen Trainer:innen rate ich, Verständnis und Geduld mitzubringen. Die deutsche Sprache ist für dich normal, aber für die Lerner:innen ist sie das nicht. Für ihre Angst braucht es Verständnis. Deshalb sollten Trainer:innen am Anfang so langsam wie möglich sprechen, aber trotzdem auf Augenhöhe bleiben und die Lerner:innen als Erwachsene respektieren. Viele Teilnehmer:innen stehen schon längst als Ärztinnen, Ärzte, Übersetzer:innen, Ingenieur:innen im Beruf. Diese Kompetenzen müssen Trainer:innen anerkennen – und sagen: Jetzt lernen wir zusammen Deutsch.
Trainer:in werden
Foto: Lisa-Maria Nagel