Wir leben in einer Zeit, in der Menschen gerne bewusst und wachsam sind gegenüber Ungerechtigkeiten aller Art. Das heißt, man reflektiert sein Verhalten und das eigene Verhältnis zu anderen Menschen. Man schaut darauf, wo es noch etwas zu verbessern gibt. Das heißt leider nicht, dass nie etwas Diskriminierendes passiert. Vor allem in der Sprache liegt oft die Crux. Schließlich sind wir alle Menschen, die Fehler machen und machen werden – vor allem in unserer Kommunikation.
Oft fallen Worte, die beim Gegenüber eine tiefe Verletzung auslösen. Zusätzlich gibt es Botschaften, die zwar gut gemeint gesendet werden, aber tatsächlich diskriminieren, stigmatisieren und abwerten. Gerade am Arbeitsplatz ist man sich oft sehr nah und verbringt viel Zeit mit den unterschiedlichsten Menschen. Ein Hineinschlittern in Unkorrektheiten aller Art ist hier leicht möglich.
Der Arbeitsplatz: Diverse Realitäten und gesellschaftliche Normen
Am Arbeitsplatz finden wir oft ein Gemenge an unterschiedlichsten Menschen vor – mit unterschiedlichsten Bedürfnissen, Charaktereigenschaften, Launen und Eigenheiten. Es gibt Menschen, die unterschiedlich aussehen und unterschiedlich sind. Wie wir uns gegenseitig wahrnehmen, miteinander umgehen, was gesellschaftlich toleriert wird, und was nicht, ändert sich laufend.
Es ist immer schon geworden, daher ist es nichts Gegebenes sondern immer wieder (kollektive) Verhandlungssache. Dazu gehört Sprache ebenso wie nonverbale Kommunikation oder gar keine Kommunikation – was ja laut dem Philosophen und Therapeuten Paul Watzlawick gar nicht geht.
Was ist nun Ableismus?
Ableismus kommt von Englisch able, also fähig, Disablismus von disabled, also behindert, unfähig (gemacht).
Der Begriff bezieht sich auf Menschen mit Behinderungen, chronischen und auch psychischen Krankheiten, einige Quellen inkludieren auch neurodivergente Menschen.
Die Endung –ismus wird benutzt, wenn man eine Weltanschauung, eine Lebenseinstellung oder eine bestimmte Haltung beschreiben möchte.
Ableismus beschreibt die Annahmen, von denen man ausgeht, wenn man Menschen mit Behinderungen oder Krankheiten begegnet. Zum Beispiel, wie es jemandem mit einer Fußprothese geht.
Das fängt in unseren Köpfen an. Menschen sind nicht behindert, sondern sie werden behindert, hört man immer wieder mal. Natürlich liegt es den meisten am Herzen, ein guter Kollege/eine gute Kollegin zu sein, achtsam und hilfreich anderen Menschen zu begegnen. Die Grenze zur Diskriminierung liegt dort, wo Krankheitsbild oder Behinderung im Vordergrund steht und eine Person zu einem großen Teil über diese definiert wird. Auch wenn jemand sehr viel anders behandelt wird als die anderen Kolleg:innen nur aufgrund der jeweiligen körperlichen, geistigen oder psychischen Kondition, ist das diskriminierend. Verletzungsgefahren lauern überall im Alltag.
Jetzt Ausbildung anpacken!
Annahmen über das Leben von Menschen mit Behinderungen oder Krankheiten
Wenn Fähigkeiten, das Maß an Selbstbestimmtheit oder gar Lebensqualität jemandem in Abrede gestellt werden, ist das natürlich nicht schön. Auch Fähigkeiten sind in gewisser Weise Normvorstellungen, wie man lebt, arbeitet, sich verhält.
Aussagen könnten sein: In deiner Lage…, oder mit dieser Einschränkung/Behinderung/Krankheit ist man ja …
Auch nur ein Wort kann viel anrichten: An etwas leiden zum Beispiel. Man weiß ja vielleicht gar nicht, ob uns vor allem inwiefern die Person leidet. Genauso ist das mit dem Wort Betroffene:r.
Besser: Adjektivierungen auslassen, Menschen sich zuerst sich selbst bezeichnen lassen, Behinderung und Krankheit nicht überbetonen
Ableistischer Alltag
In unserer Sprachen stolpern wir hin und wieder über lang eingeübte Floskeln, die nicht passend sind. Oft ist gar nicht so richtig bewusst, dass die eigentliche Bedeutung diskriminierend ist. Man denke nur an Ausdrücke wie für etwas blind sein (wenn etwas übersehen wurde) oder taub sein (wenn was überhört) wurde. Auch positiv gemeinte Kommentare wie das ist verrückt, Wahnsinn oder irre diskriminieren Menschen. Genauso wie:
Das ist normal. Hier verweist man auf gesellschaftlich konstruierte Normvorstellungen. Diese schließen nicht alle Menschen mit ein, beziehungsweise konstruieren einen extra zugewiesenen Bereich.
Unangemessene Fragen stellen
Wie ist das eigentlich mit Kindern? Kannst du alleine auf die Toilette gehen? Wie lange brauchst du für … ?
Besser: Sich um eine ausdifferenzierte Ausdrucksweise bemühen. Es braucht gewisse Worte und Ausdrücke nicht, dafür gibt es jede Menge anderer Möglichkeiten.
Ein anderes Phänomen ist, dass diese Ausdrücke zum Trotz als Art Provokation verwendet werden, oft in einem humoristisch gemeinten Zusammenhang. Das heißt, den jeweiligen Sender:innen ist dabei vollkommen bewusst, dass es daneben ist. Eine Berechtigung wird unter dem Deckmantel von Humor oder ironischer „Metaebene“ verortet. Die Frage hier ist, warum denn diese Art von Humor so unbedingt nötig ist und wer unterm Strich etwas davon hat. Am Ende bleibt es diskriminierend.
Positive Diskriminierung: (Zu viel) Honig um den Mund schmieren
Dies zeigt sich etwa durch ständiges Zustimmen, niemals Widersprechen oder unverhältnismäßige Anerkennung oder Lob. Man hebt zum Beispiel Tätigkeiten als besonders hervor, die banal und alltäglich sind und die die jeweilige Person eigentlich locker schafft, so etwas wie einen Arbeitsweg zurückzulegen oder einkaufen zu gehen. Auch Konflikte werden vermieden, man geht nicht ehrlich auf eine Diskussion ein, will um jeden Preis eine Art Harmonie wahren und glaubt, dadurch für jemanden etwas zu erleichtern, der das vielleicht gar nicht braucht oder will.
Extrem nett sein
Wir alle mögen es, wenn jemand nett zu uns ist. Extrem bemüht zu sein, schreckt uns jedoch eher ab. Besonders achtsam gegenüber Bedürfnissen zu sein, ständig nachzufragen, ob es der Person eh gut geht, oder Vorausdenken spricht indirekt Fähigkeiten ab – und ja, diskriminiert deshalb.
Retter:in spielen
Retter:in spielen bedeutet: wenn Menschen mit Behinderungen ungefragt geholfen wird, ohne dass ihre tatsächlichen Wünsche und Bedürfnisse berücksichtigt werden und sie so als Mittel zum Zweck gesehen werden. Der Begriff wird vor allem in bestimmten wissenschaftlichen Diskursen, insbesondere in den Disability Studies, verwendet.
Das passiert natürlich meist unbewusst, Menschen möchten helfen und achtsam sein.
Persönlichen Kontakt und Interaktion vermeiden
Um unangenehme Gefühle zu vermeiden, ergreifen manche die Flucht. Dahinterstecken kann Angst vor Fettnäpfchen, unangenehmen Gefühlen oder einfach große Unsicherheit. Begegnungssituationen und direkter Kommunikation aber aus dem Weg zu gehen, geben einem anderen Menschen kein schönes Gefühl. Vermeidung ist Ausgrenzung.
Beispiel: Beruflich spricht man mit der Assistenz statt der tatsächlich zuständigen Person.
Was hilft?
Immer wieder das eigene Bewusstsein zu schärfen
Eine simple Methode ist ein Perspektivenwechsel. Es kann hilfreich sein, sich in die Lebensrealitäten von jemandem einzufühlen. Das geht zum Beispiel gut, wenn man etwas über individuelle Erfahrungen und Lebenswege liest.
Wenn das nicht ohnehin Hand in Hand passiert, kann man hin und wieder einen Selbstscan machen: Schauen, wo in seiner eigenen Denke vielleicht noch diskriminierende Annahmen oder Verhaltensweisen zu verorten sind.
Sprache, Ausdruck und Umgang sollten sich auf die jeweilige Person konzentrieren und nicht auf ihre Behinderung oder Erkrankung. Respektvolles Benehmen bringt uns als Gesellschaft immer weiter und fördert natürlich Inklusion. Von Amnesty International gibt es dazu einen Leitfaden für inklusive Sprache samt Glossar.
Jetzt Ausbildung anpacken!
Foto: qunica.com / stock.adobe.com