Mittwochabend, 18 Uhr. Während viele bereits startklar für den Feierabend sind oder auf dem Weg ins Fitnesscenter, drücken manche noch die Schulbank.
Erwachsene lernen anders als Kinder. Wir wollten wissen, wie das aussieht. Deshalb haben wir in einer Berufsmatura-Klasse Mäuschen gespielt. Wir kamen gerade rechtzeitig zum Englisch-Unterricht.
Was wir uns erwarten: Kaffee, Kaffee, Kaffee. Aber denkste: In Wahrheit dominieren Wasserflaschen und gesunde Jause, in dieser Einheit ein Sack voller Mandarinen die Snacklandschaft. Neun junge und junggebliebene Menschen sitzen gut gelaunt, modisch gekleidet und bestens organisiert in einer U-form-ähnlichen Tischanordnung in Raum C201 im WIFI Wien. Collegeblocks für die Mitschrift, Fineliner in den buntesten Farben und Englisch-Bücher sind sorgfältig bereitgelegt.
„Commercials, Advertising – that’s what we did last time“, steigt die Trainerin Mag. Sigrid Stainko in den Unterricht ein und wiederholt noch einmal kurz, was letzte Woche gemacht wurde. „Ahja!“ sagt jemand aus der Gruppe. Gemeinsam wird wie selbstverständlich verbal untereinander gebrainstormt, abgerufen, was vorige Woche Thema war, in Unterlagen geblättert und auch ungeniert nachgefragt: „Also, genau, das habe ich nicht verstanden“.
Eins davon ist auch liebevoll mit Bucheinbandfolie inklusive Namensettikett auf Langlebigkeit getrimmt – von der Oma.
Gelangeweilte Gesichter sucht man in dieser Stunde vergeblich.
Draußen ist es bereits dunkel
Es ist bereits Abend. Draußen kommt die Welt zur Ruhe, aber hier drinnen fährt man die Hochleistungsmotoren erst hoch. In Kleingruppen spricht man angeregt und amüsiert über Consumer, Commercial Breaks beim Superbowl und Fragen des Lebens wie „Do you like to eat chocolate that blue?“ – auf Englisch versteht sich.
Frau Mag. Stainko gibt abwechslungsreichen Unterricht: Einzel- und Gruppenarbeit; Lesen, Schreiben, Sprechen und noch viel mehr. Der Umgangston ist „casual“, um es auf Englisch zu sagen, also lässig, leger, ungezwungen. Lehrende und Kursteilnehmer/innen sprechen sich mit Vornamen an.
Berufsreife jetzt anpacken!
„Wir haben in diesen paar Monaten eigentlich schon wirklich gute Freundschaften geschlossen“ stellt ein Teilnehmer fest. „Well….“ antwortet ein anderer darauf mit hochgezogenen Augenbrauen und hämischen Grinsen im Gesicht. Einander neckisch aufziehen gehört dazu, natürlich auch auf Englisch. B2 soll das Sprachniveau nach einem Jahr sein, also zum geplanten Zeitpunkt der Berufsreifeprüfung. Darauf wird hier trainiert.
„Soda“ ist nicht gleich „Sodawasser“
Gute Englischkenntnisse braucht man privat – Stichwort: Urlaub, aber immer öfter auch beruflich. Und so kommt auch der eine oder andere kleinere Tipp für den Alltag nicht zu kurz. Mag. Stainko erklärt beispielweise, dass das Wort „Soda“ im Amerikanischen gleichzusetzen ist mit Softdrinks generell und nicht – wie im Deutschen üblich, Sodawasser bedeutet. „Ahhh“ tönt durch die Runde und dankbar wird gleich der kurze Info-Input notiert.
Nach der Berufsreifeprüfung wollen die meisten in ihrem jeweiligen Fachbereich weiterstudieren. Dafür werden einige von ihrer Familie unterstützt, viele erhalten Förderung, manche zahlen selber. Manche haben einen kurzen, manche einen langen Anfahrtsweg. Aber alle haben weniger Freizeit – zumindest bis zur Berufsreifeprüfung.
19 Uhr. Jetzt geht es darum, zu besprechen, welcher Werbeslogan zu welchem Produkt passen könnte. Eine Diskussionsaufgabe. „ It’s good to talk!“ lautet einer. „This could be an ad for a coffee shop“, sagt eine Teilnehmerin. Nachdenkliche Gesichter, zustimmungsvolles Nicken. „Because it’s worth it. Passt für einen Big Mac?“, meint der Sitznachbar. Lächeln, überlegen. Jemand anderer wirft ein:„Don’t leave home without it. … Durex?“ – Alle lachen.
Das Feedback der Gruppe ist ehrlich und direkt, aber niemals verletzend oder abwertend. Die eine oder andere Bemerkung ist jedoch sarkastisch gemeint. 🙂
19.30 Uhr: Endlich Pause!
In der Pause bleiben viele sitzen und unterhalten sich noch weiter über Slogan-Ideen. Sie sprechen von langen Pendelzeiten, darüber, wie sie lernen und dass auch die beste E-Learning-Software den echten Kurs ersetzen kann. Versäumen will eigentlich niemand einen Termin.
Für den seltenen Fall von Müdigkeit hat ein Teilnehmer einen tollen Tipp: Einfach Mitarbeit vortäuschen und mitreden, dann kommt die Konzentration schon noch hinten nach und man ist wieder dabei. Im Englischen sagt man „Fake it until you make it“, also täusche vor, bis du es geschafft hast. Passt gut. Die Teilnehmer/innen müssen lachen.
Fast hat man in dieser gemütlichen Umgebung den Eindruck, man befände sich unter Freunden.
Und dann noch Vokabeln büffeln 🙂
Nach mehreren Übungen zum Thema Werbung geht’s konkret weiter mit Vokabeln zu Brand Management und den dazupassenden Erklärungen auf Englisch. Research, Launch oder Awareness sind Begriffe, an denen man heute kaum vorbeikommt. Die Teilnehmer/innen sollen überlegen, ob eine Bedeutung zutreffend ist oder nicht. Dann diskutieren sie mit einem Partner.
Frech provozierend fragt ein Teilnehmer seinen etwas ratlosen Kollegen „Host mi?“ Und schon wieder geht ein Lachen durch den Raum. Angespanntheit oder Angst kann in einer solchen Gruppe erst gar nicht aufkommen. Selbst die schüchternste Person würde hier Fragen stellen. Da fühlt man sich wohl.
Und plötzlich ist es schon 21:00 Uhr. Nach drei Stunden in der Berufsreifeprüfung-Klasse fällt eines auf: Es wird nicht fad. Man ist nicht müde. Ganz im Gegenteil: Man will gar nicht mehr gehen.